AG Partizipative Forschung in der Pädiatrie

Wenn Kinder und Jugendliche von chronischen und mitunter lebensbedrohlichen Erkrankungen betroffen sind, steht das gesamte familiäre System vor zahlreichen Herausforderungen. Gezielte, passgenaue Unterstützungsangebote für Familien und auch für die multidisziplinären pädiatrischen Teams sind rar. Insbesondere psychosoziale Interventionen, wie z.B. Psychoedukation und Ressourcenaktivierung, gelten als vielversprechend. 

Mit dem Ansatz der Partizipativen (Gesundheits-)Forschung ermutigt die AG die am Behandlungsprozess beteiligten Personen, z.B. erkrankte Kinder und Jugendliche sowie deren Familien oder pädiatrische Teams, zur aktiven Beteiligung am Forschungsprozess. Partizipative Forschung ermöglicht zusammen bedarfsorientierte Interventionen zu entwickeln, auszureifen und zu implementieren, welche sich folglich hoher Akzeptanz erfreuen. Sie kann so einen wichtigen Beitrag zu der Entwicklung von passgenauen Behandlungsstandards oder einem vertieften Krankheitsverständnis leisten und die Lebensqualität der betroffenen Familien nachhaltig positiv beeinflussen. Methodisch finden klassische Erhebungsmethoden, wie etwa Befragungen oder Interviews, Anwendung. Darüber hinaus werden kreative und für Kinder leicht verständliche Techniken wie z.B. Drawing, Photovoice oder Storytelling eingesetzt.

Aktuelle Projekte

„Schattenkinder“ im Fokus: Beeinträchtigungen der Lebensqualität und Ressourcen von Geschwistern von Kindern mit angeborenen Herzfehlern

Angeborene Herzfehler (AHF) stellen ein globales Gesundheitsproblem dar. Mit einer Prävalenz von ca. 1% weltweit sind sie die führende Ursache für Morbidität und Mortalität von Kindern und Jugendlichen. Neben den Patientinnen und Patienten selbst leiden auch insbesondere Eltern und Geschwister unter den Folgen der Erkrankung. Zeitintensive, wiederholte Krankenhausaufenthalte ab der Geburt des Kindes mit AHF, die mit existentiellen Angstgefühlen und Ungewissheit über die Zukunft einhergehen sowie das lebensbedrohliche Potential der Erkrankung und die dauerhafte Notwendigkeit der Behandlung und Kontrolle haben tiefgreifende Auswirkungen auf die gesellschaftliche Teilhabe von Eltern und Geschwistern. Hierzu gehören z.B. der Umgang mit dem Verlust sozialer Kontakte sowie mögliche psychische, schulische und berufliche Schwierigkeiten. Die Geschwister von Kindern und Jugendlichen mit AHF sind in ähnlichem Maße psychisch belastet wie die Betroffenen selbst, laufen aber Gefahr  aufgrund der oben aufgeführten familiären Auswirkungen des AHF, nicht ausreichend Aufmerksamkeit und Unterstützung durch ihre Eltern zu bekommen. 

Die geringe Aufmerksamkeit die Geschwister von Kindern mit AHF bisher in Versorgung und Forschung zuteilwurde, steht im starken Kontrast zu der großen Anzahl von belasteten Betroffenen. Eine standardisierte Unterstützung in Form von krankheitsspezifischer Beratung oder Interventionen die direkt auf die Verbesserung der Lebensqualität (LQ) von Geschwistern von Kindern mit AHF abzielen, fehlt. Hier setzen die Projekte rund um „Schattenkinder“ an:

1. Qualitativ-explorative Interviewstudie mit Eltern-Geschwister-Dyaden, welche Faktoren, die mit der Lebensqualität und dem Unterstützungsbedarf von Geschwistern von Kindern mit angeborenen Herzfehlern zusammenhängen, untersucht: Diese Studie konnte einen erhöhten Unterstützungsbedarf der Geschwister und die Art der benötigten Unterstützung aufdecken. So sollten künftige Beratungsangebote und Interventionen Krankheitswissen vermitteln und offene Kommunikation der Geschwister mit Eltern und betroffenen Gleichaltrigen bieten, damit Geschwister Empathie erfahren und sich über ihre Sorgen, Belastungen sowie Bewältigungsstrategien austauschen können. Zudem konnten Risiko- (z.B. höheres Alter der Geschwister, höherer Erkrankungsschweregrad, Ausmaß der krankheitsbedingten Belastungen und Sorgen der Geschwister) und Schutzfaktoren (z.B. Vermittlung von Krankheitswissen, Kontakt zu gleichaltrigen Betroffenen, Erleben von Empathie und Unterstützung durch Familienangehörige in Bezug auf die Lebensqualität der Geschwister detektiert werden.

2. Quantitative Online-basierte Studie zu Gesundheitsbezogener Lebensqualität bei Geschwistern von Kindern mit AHF:  Sie untersuchte die bisher unerforschte globale und domänenspezifische gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) von Geschwistern von Kindern mit AHF im Vergleich zu der von Geschwistern von Kindern mit Typ-1-Diabetes. Die Ergebnisse zeigten, dass die allgemeine sowie domänenspezifische Gesundheitsbezogene Lebensqualität von Geschwistern von Kindern mit AHF signifikant niedriger ist als die von Geschwistern von Kindern mit Typ-1-Diabetes. Für die Lebensqualität von Geschwistern von Kindern mit AHF konnten weibliches Geschlecht und die Sichtbarkeit der Krankheit als Prädiktoren identifiziert werden. Darauf basierend sollten Interventionen entwickelt, evaluiert und implementiert werden, die die spezifischen Bedürfnisse von Geschwistern von Kindern mit AHF in den Blick nehmen Hier setzen zukünftige Projekte der AG an.

Fördende Institution: Verein der Freunde und Förderer des Herzzentrums des Universitätsklinikums Köln e.V.

Projektteam: Alice Schamong, M.sc., Dr. Ann-Kristin Folkerts, Prof. Dr. Elke Kalbe

OKRA: Orientierungskompass zur Übermittlung schwerwiegender Nachrichten in der Kinderonkologie

In der Kinderonkologie wird das Überbringen schlechter Nachrichten (Breaking Bad News; BBN) im Trialog zwischen medizinisch Versorgenden (BBN-Übermittelnde), Patientinnen und Patienten (Kindern) und ihren Angehörigen (BBN-Empfangende) als herausfordernd empfunden. 

Ziel des OKRA-Projektes ist die Entwicklung eines praxiserprobten „Orientierungskompass zur Übermittlung schwerwiegender Nachrichten in der Kinderonkologie“. Dieser soll Übermittelnde umfänglich auf die Herausforderung BBN im Trialog vorbereiten, durch den Übermittlungsprozess leiten und nachbereitende Impulse geben.

Das OKRA-Projekt ist in zwei Projektphasen gegliedert. Phase 1 bildet ein partizipatives Gruppendelphi, in welchem multiperspektivisches Wissen in Form von Interviews, Fokusgruppendiskussionen sowie Befragungen gewonnen wird. Hierbei sind vier Gruppen beteiligt: 

  1. „Expertinnen und Experten in eigener Sache“ (Vertretende der BBN-empfangenden Kinder, Jugendlichen und deren Eltern),
  2. medizinisch Versorgende (BBN-Übermittelnde der kinderonkologischen Teams) und Vertretende nationaler Fachgesellschaften,
  3. psychosozial Unterstützende (Beratende, Begleitende und Nachsorgende),
  4. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Gesundheitssystem. 

Dieser Prozess mündet in der Formulierung von Thesen zum Gelingen des BBN. Auf den Thesen aufbauend wird in Phase 2 zunächst ein Pilotkompass für die Kinderonkologie entwickelt, welcher anschließend optimiert und ausgereift wird. Zu Projektende soll dieser deutschlandweit multidisziplinären Teams in der Kinderonkologie zur Verfügung stehen. 

Fördende Institution: Deutsche Leukämie-Forschungshilfe Aktion für krebskranke Kinder e.V. (DLFH) 

Projektteam: Dr. Theresia Krieger, Kerstin Dittmer (M.Sc.)

Publikationen

Ausgewählte Publikationen der letzten Jahre

Schamong, A. S., Liebermann-Jordanidis, H., Brockmeier, K., Sticker, E., & Kalbe, E. (2022). Psychosocial well-being and quality of life in siblings of children with congenital heart disease: A systematic review. Journal of Child Health Care, 26(2), 319-337.

Team

Alice Schamong
Psychologin, M.Sc.
Psychosozialer Dienst, Kinderkardiologie der Uniklinik Köln
E-Mail alice.schamong@uk-koeln.de

Dr. Theresia Krieger (PhD)
Gesundheitswissenschaftlerin
E-Mail theresia.krieger@uk-koeln.de